Serienportraits: Über einen der vielen Versuche, Menschen zu fotografieren. Graz, Wien | AT · 1977–1982 (© PP · # 3352 · www.ewigesarchiv.at) Vor wenigen Tagen ist mir beim Suchen nach einem bestimmten Buch eine Ausgabe der von Otto Breicha herausgegebenen „protokolle – Zeitschrift für Literatur und Kunst“ in die Hände gekommen, genauer: die Ausgabe 1 des Jahganges 1982. Darin ein Text von mir und eine recht umfangreiche Bildstrecke meiner ab 1977 entstandenen „Serienportraits“. Jedes dieser Serienportraits bestand aus 12 Aufnahmen, die ich mit meiner Rolleiflex-Kamera von einer Person machte – in der Publikation wurde aber aus Platzgründen immer nur 6 Aufnahmen veröffentlicht. Der Text dazu von mir liest sich wie ein kleines „Dogma-Manifest“:
Peter Putz: ÜBER EINEN DER VIELEN VERSUCHE, MENSCHEN ZU FOTOGRAFIEREN
Den Fotografen August Sander (1876-1964) und Johann Promberger (1886-1962), Werkmeister in der Saline Ebensee, gewidmet
Ich fotografiere so einfach wie möglich:
Nachdem ich die auf einem Stativ befestigte Kamera derart aufgestellt habe, daß die betreffende Person möglichst zur Gänze im Sucher zu sehen ist, betätige ich in kurzer zeitlicher Abfolge so oft den Auslöser, bis der Filmstreifen vollständig belichtet ist.
Bildausschnitt und Kameraposition verändere ich während einer Serie nicht.
Die entstandenen Negative werden ausschließlich kontaktkopiert - ich fertige keine Vergrößerungen an.
Ich wähle also aus der Reihe vorliegender Aufnahmen nicht aus, da ich jede einzelne für gleichwichtig und gleichwertig halte. Es erfolgt keine Trennung, etwa in besonders gelungene, charakteristische, gute..." und in „mißlungene, nichtssagende, schlechte..." Fotos.
Das eigentliche Ergebnis entsteht erst aus dem gleichzeitigen, überschaubaren Nebeneinander der Einzelbilder.
Der zeitliche Zusammenhang, in dem die Aufnahmen stehen, wird nicht unterbrochen, sondern als wesentlicher Bestandteil sichtbar gemacht.
Meine Arbeitsweise ist schematisch und vielleicht starr, aus dem Wunsch heraus, mich weitgehend aus der Darstellung der Person herauszuhalten. Da ich keine „Regieanweisungen" gebe, stelle ich eine Filmlänge zur freien Verfügung".
Die Serien können als Folge des stets gleichen Vorgehens gut einander gegenübergestellt werden, Veränderungen und Unterschiede treten deutlich hervor.
Insgesamt gesehen: Ein Versuch, zumindest einen Aspekt menschlichen Verhaltens, nämlich den vor einer „offensichtlichen" Kamera
darzustellen und vergleichbar herauszuarbeiten“
Ausschnittsweise erinnere ich mich an einige der vielen vor rund 40 Jahren fotografierten Personen:
rechts an „Klaus Abel, aufgenommen am 23. 6. 1977, Sozialarbeiter und Selbstversorger“. Mit ihm besuchte ich die Sozialarbeiterschule der Gemeinde Wien in Ottakring, mit ihm und seiner Frau wollte ich einen Bauernhof im Waldviertel suchen und dort mich „selbstversorgen“. Leider ist Klaus zwei Jahre später aus dem Leben geschieden.
links unten: „Jean und Henri Ditutu (Zaire), fotografiert am 4.2.1977, Studenten“. Das Foto entstand in der Wohngemeinschaft, die ich 1976 gegründet hatte, der rechte der beiden, der spätere Menschenrechtsaktivist Di Tutu Bokasa, war zu uns gekommen, um für seinen „Bruder“ Jean eine Wohnmöglichkeit zu finden. (Ich verstand erst Jahre später, dass „Bruder“ im sehr weit gefassten Sinne zu verstehen war). Mit Jean wohnten wir ein Jahr lang. Daneben Frau Blauensteiner, die Hausmeisterin des Hauses, in dem die WG war in der Schubertgasse im 9. Bezirk. Praktischerweise wohnte sie direkt gegenüber unserer 140 m2 Wohnung im Erdgeschoß, immer wenn jemand ein- oder ausging, sahen wir sie hinter den gehäkelten Vorhängen hinter dem Glasfenster ihrer Eingangstüre wie ein Schatten auftauchen.
Serial portraits: About one of the many attempts to photograph people. Graz, Vienna | AT – 1977-1982 (© PP – # 3352 – www.ewigesarchiv.at) A few days ago, while looking for a certain book, I came across an issue of “protokolle – Zeitschrift für Literatur und Kunst” published by Otto Breicha, more precisely: issue 1 of the 1982 volume. It contained a text by me and a rather extensive series of pictures of my “serial portraits” taken from 1977 onwards. Each of these serial portraits consisted of 12 shots that I took of a person with my Rolleiflex camera – but for reasons of space, only 6 shots were ever published in the publication. The text I wrote about it reads like a small “dogma manifesto”:
Peter Putz: ON ONE OF THE MANY ATTEMPTS TO PHOTOGRAPH PEOPLE
Dedicated to the photographers August Sander (1876-1964) and Johann Promberger (1886-1962), foreman at the Ebensee salt works
I photograph as simply as possible:
After setting up the camera on a tripod so that the person in question can be seen as fully as possible in the viewfinder, I press the shutter release button in quick succession until the film strip is fully exposed.
I do not change the image section or camera position during a series.
The resulting negatives are only contact printed – I do not make any enlargements.
I therefore do not select from the series of existing photographs, as I consider each one to be equally important and of equal value. There is no separation, for example into “particularly successful, characteristic, good…” and “unsuccessful, meaningless, bad…” photos. photos.
The actual result only emerges from the simultaneous, clear juxtaposition of the individual images.
The temporal context in which the photographs are taken is not interrupted, but made visible as an essential component.
My working method is schematic and perhaps rigid, based on the desire to keep myself largely out of the depiction of the person. Since I don’t give any “stage directions”, I provide a length of film for “free disposal”.
The series can be easily juxtaposed as a result of always following the same procedure, changes and differences clearly stand out.
All in all: An attempt to depict at least one aspect of human behavior, namely that in front of an “obvious” camera
and to work it out in a comparable way”
I remember some of the many people photographed around 40 years ago:
On the right, “Klaus Abel, photographed on 6/23/1977, social worker and self-supporter”. I attended the social work school of the municipality of Vienna in Ottakring with him, and with him and his wife I wanted to look for a farm in the Waldviertel and “provide for myself” there. Unfortunately, Klaus passed away two years later.
bottom left: “Jean and Henri Ditutu (Zaire), photographed on February 4, 1977, students”. The photo was taken in the shared flat that I had founded in 1976, the right-hand man of the two, the later human rights activist Di Tutu Bokasa, had come to us to find a place to live for his “brother” Jean. (I only understood years later that “brother” was to be understood in a very broad sense). We lived with Jean for a year. Next to him was Mrs. Blauensteiner, the janitor of the house where the shared flat was in Schubertgasse in the 9th district. Conveniently, she lived directly opposite our 140 m2 apartment on the ground floor. Whenever someone came in or out, we saw her appear like a shadow behind the crocheted curtains behind the glass window of her front door.