Tizians „Mädchen im Pelz“ im Archiv des Planeten, im Kunsthistorischen Museum Wien und im Fitnesstudio mit Irene Andessner. Venezia | IT; Wien | AT · um 1535–2024 (Auguste Léon © Archives de la Planète · Les collections du musée départemental Albert-Kahn (CC-00) Aktion: © I. Andessner; Repro Tizian © KHM; Dokufotos u. Tableau: © PP · # 3114 · www.ewigesarchiv.at) Das große Foto links oben ist das Repro eines Autochromes, ein frühes Verfahren der Farbfotografie, das die Brüder Lumiere erfunden hatten und wurde im Rahmen des Projektes Archives de la Planète vom französischen Fotografen Auguste Léon im Jahr 1913 im Kunsthistorischen Museum in Wien aufgenommen. Das Foto zeigt drei Gemälde des italienischen Malers Tiziano Vecellio, gen. Tizian, darunter ganz rechts das „Mädchen im Pelz“ um 1535. Da mich das Projekt Archives de la Planète des französischen Bankiers Albert Kahn seit Jahren beschäftigt, habe ich auch diese Aufnahme versucht, „nachzufotografieren, mehr als 100 Jahre später. Aus dem damaligen Österreich-Ungarn sind 11 Autochrome im „Archiv des Planeten“ erhalten, aufgenommen am 23. April 1913 vom Fotografen Auguste Léon. (s. links unten)
Mit dem „Mädchen mit Pelz“ verbindet mich allerdings noch wesentlich mehr: Die Künstlerin Irene Andessner hatte für „Graz 2003 – Kulturhauptstadt Europas“ den Auftrag bekommen, ihr groß angelegtes Projekt „Wanda SM – eine Hommage an Wanda von Sacher-Masoch“ zu realisieren. Mein damaliges Studio in der Liechtensteinstraße war für rund 2 Jahre Projektzentrale, gemeinsam mit Florian Rutter war ich für Organisation und Realisierung verantwortlich. Im Projekt sollte in künstlerisch überhöhtem Sinne Angelica Aurora Rümelin (1845 – 1908), die Ehefrau von Leopold von Sacher-Masoch (1836 – 1895) personifiziert werden, die für den Schriftsteller die Rolle der dominanten Wanda von Dunajew aus seinem Roman „Venus im Pelz“ (1869) verkörperte. Ein Leben, das Irene Andessner bildnerisch nachvollzog.
Ein Abschnitt des sehr umfangreich und aufwändig angelegten Projektes wurde auch im KHM realisiert: Dafür wurde das Gemälde von Tizian „Mädchen im Pelz“ von Spezialisten umgehängt. Im Tizian-Saal des KHM thronte Irene Andessner in meterlangen Zobel-Kunstpelz gehüllt in einem massiven Fauteuil auf einem Podest, Tizians Bild hinter sich, Zofen und Kämmerer um sie herum, ein „Sklave“ zu ihren Füßen. Männer, die sich im Vorfeld bereit erklärt hatten, mitzuwirken, wurden vom kleinwüchsigen Burgtheater-Schauspieler Hackl einzeln in den Saal geführt und angekündigt. Ihnen wurde eine Polaroid-Kamera übergeben, sie mussten sich auf ein Fitness-Gerät legen, nach Vorgabe diverse Übungen ausführen, wurden dabei von Irene Andessner fotografiert, mussten ein Polaroid-Foto aufnehmen und dieses der Künstlerin übergeben. Die gesamte Aktion wurde mit zahlreichen Video- und Still-Kameras dokumentiert.
Kurz vor Beginn der Aufnahmen wurde ich noch ins Büro des Generaldirektors zitiert – er hatte von der Pressereferentin kurz vorher erfahren, dass die ganze Aktion/Performance ins Netz gestreamt werden sollte. Ich gab den völlig zerknirschten Idioten: „Alles meine Schuld – selbstverständlich sagen wir alles ab – ich muss dann halte alle Eingeladenen – Prof. Leopold, Helga Rabl-Stadtler, Präsidentin der Salzburger Festspiele etc, die ihr Kommen zugesagt hatten, wieder ausladen. . . “ Damit war das Thema vom Tisch – diese PR wollte sich Dir. Seipel nicht entgehen lassen – der Wahnsinn konnte beginnen. (großes Foto unten, Foto rechts unten: Ich beim Testen des Fitness-Gerätes mit der Polaroid-Kamera in den Händen.
Ein Projekttag, den ich mein Leben lang nicht vergessen werde – am Abend war ich nur noch froh, dass die Produktion ohne Schäden an den Exponaten etc. durchgeführt werden könnte. Im großartigen Team ua. Thomas Holzinger, Raphael Frick und mein damaliger Webmaster Borislav Bojkov, die die Veranstaltung ins Netz streamten, an den Kameras Oliver Kunz und Irmin Kerck (Steadycam).
Tiziano Vecellio, gen. Tizian (um 1488 Pieve di Cadore - 1576 Venedig) Mädchen im Pelz, um 1535, Bildmaß links und rechts etwas beschnitten: 95,5 × 63,7 × 2,1 cm, Rahmenmaße: 129,5 × 96,7 × 5,5 cm
Die unbekannte junge Frau hat Tizian wiederholt als Modell gedient. Alle sie zeigenden Gemälde entstanden für Francesco Maria della Rovere, den Herzog von Urbino und Neffen Papst Julius II. bzw. für seinen Sohn Guidobaldi – so wahrscheinlich auch dieses. Das Hauptmotiv ist die anregende Kombination von Pelz und Haut. Der bezaubernde, erotisch aufgeladene Auftritt der Unbekannten ist nicht als Porträt zu verstehen – vielmehr zelebriert Tizian hier einen Schönheitsbegriff, der von der zeitgenössischen, von Petrarca ausgehenden Liebeslyrik forciert wurde.“ (KHM)
https://www.khm.at/objektdb/detail/1941/
Bildtext zum Foto von Auguste Léon, 1913
Mission: 1913 - Balkans - Jean Brunhes et Auguste Léon - (23 avril ñ 9 juin)
Originaltitel: Autriche Hongrie , Vienne , Musée : Cabinet I des Ecoles Italiennes , 3 Titien
Archives de la Planète · Les collections du musée départemental Albert-Kahn · Hauts-de-Seine
(CC-00) - Domaine Public
„Les Archives de la Planète“ (Das Archiv des Planeten) war ein Projekt des französischen Bankiers Albert Kahn, der bewegt war von einem Ideal des universellen Friedens. Seine Überzeugung: Die Kenntnis fremder Kulturen fördert den Respekt und die friedlichen Beziehungen zwischen den Völkern. Er erkannte auch sehr früh, dass seine Ära Zeuge der beschleunigten Transformation von Gesellschaften und des Verschwindens bestimmter Lebensstile sein würde. Er begründete das „Archiv des Planeten“, das Ergebnis der Arbeit eines Dutzend Fotografen und Fotografinnen und Kameraleuten, die zwischen 1909 und 1931 ausgeschickt wurden, um die verschiedenen kulturellen Realitäten in fünfzig Ländern zu erfassen.
Es wurden zwei Erfindungen der Brüder Lumière verwendet: der Kinematograph (1895) und der Autochrom, der erste „natürliche“ Farbfotografieprozess (1907).
Das Archiv des Planeten vereint hundert Stunden Filme und 72.000 Autochrome, die größte diesbezügliche Sammlung der Welt. Das Museum Albert-Kahn, Département des Hauts-de-Seine, in Boulogne-Billancourt, einem Vorort von Paris gelegen, bewahrt das „Archiv des Planeten“ auf, eine Reihe stehender und bewegter Bilder, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden sind und der Vielfalt der Völker und Kulturen gewidmet sind.
Titian’s “Girl in Fur” in the Archives of the Planet, in the Kunsthistorisches Museum Vienna and in the gym with Irene Andessner. Venezia | IT; Vienna | AT – c. 1535-2024 (Auguste Léon © Archives de la Planète – Les collections du musée départemental Albert-Kahn (CC-00) Action: © I. Andessner; Repro Titian © KHM; Docufotos u. Tableau: © PP – # 3114 – www.ewigesarchiv.at) The large photo at the top left is a reproduction of an autochrome, an early colour photography process invented by the Lumiere brothers, and was taken by French photographer Auguste Léon in 1913 at the Kunsthistorisches Museum in Vienna as part of the Archives de la Planète project. The photo shows three paintings by the Italian painter Tiziano Vecellio, gen. As the Archives de la Planète project by the French banker Albert Kahn has kept me busy for years, I also tried to “re-photograph” this picture, more than 100 years later. There are 11 autochromes from what was then Austria-Hungary in the “Archives of the Planet”, taken on 23 April 1913 by the photographer Auguste Léon. (see bottom left)
However, I have much more in common with the “Girl with Fur”: the artist Irene Andessner was commissioned to realise her large-scale project “Wanda SM – a tribute to Wanda von Sacher-Masoch” for “Graz 2003 – European Capital of Culture”. My studio in Liechtensteinstraße at the time was the project headquarters for around two years, and together with Florian Rutter I was responsible for the organisation and realisation. In the project, Angelica Aurora Rümelin (1845 – 1908), the wife of Leopold von Sacher-Masoch (1836 – 1895), who embodied the role of the dominant Wanda von Dunayev from the writer’s novel “Venus in Furs” (1869), was to be personified in an artistically exaggerated sense. A life that Irene Andessner recreated in her paintings.
One section of the very extensive and elaborate project was also realised at the KHM: For this, the painting by Titian “Girl in Fur” was rehung by specialists. In the Titian Hall of the KHM, Irene Andessner was enthroned in a massive armchair on a pedestal, wrapped in metres of sable faux fur, with Titian’s painting behind her, maids and chamberlains around her and a “slave” at her feet. Men who had agreed to take part in advance were led into the hall one by one and announced by the diminutive Burgtheater actor Hackl. They were given a Polaroid camera, had to lie down on a fitness machine, perform various exercises according to instructions, were photographed by Irene Andessner, had to take a Polaroid photo and hand it over to the artist. The entire event was documented with numerous video and still cameras.
Shortly before the filming began, I was summoned to the general director’s office – he had learnt from the press officer shortly beforehand that the entire action/performance was to be streamed online. I gave the completely contrite idiot: “It’s all my fault – of course we’re cancelling everything – I’ll have to keep all the invitees – Prof. Leopold, Helga Rabl-Stadtler, President of the Salzburg Festival etc., who had agreed to come, uninvited again. . . ” With that, the topic was off the table – Dir. Seipel didn’t want to miss out on this PR – the madness could begin. (large photo below, photo bottom right: Me testing the fitness equipment with the Polaroid camera in my hands.
A project day that I will never forget for the rest of my life – in the evening I was just glad that the production could be carried out without any damage to the exhibits, etc. The great team included Thomas Holzinger, Raphael Frick and my webmaster at the time, Borislav Bojkov, who streamed the event online, and Oliver Kunz and Irmin Kerck (Steadycam) on the cameras.
Tiziano Vecellio, gen. Titian (c. 1488 Pieve di Cadore – 1576 Venice) Girl in Fur, c. 1535, picture dimensions trimmed slightly left and right: 95.5 × 63.7 × 2.1 cm, frame dimensions: 129.5 × 96.7 × 5.5 cm
The unknown young woman repeatedly served Titian as a model. All of the paintings depicting her were created for Francesco Maria della Rovere, Duke of Urbino and nephew of Pope Julius II, or for his son Guidobaldi – and this one is probably no exception. The main motif is the stimulating combination of fur and skin. The enchanting, erotically charged appearance of the unknown woman is not to be understood as a portrait – rather, Titian is celebrating a concept of beauty here that was pushed by the contemporary love poetry inspired by Petrarch.” (KHM)
Caption to the photo of Auguste Léon, 1913
Mission: 1913 – Balkans – Jean Brunhes et Auguste Léon – (23 avril ñ 9 juin)
Original title: Autriche Hongrie , Vienne , Musée : Cabinet I des Ecoles Italiennes , 3 Titien
Archives de la Planète – Les collections du musée départemental Albert-Kahn – Hauts-de-Seine
(CC-00) – Domaine Public
“Les Archives de la Planète” (The Archives of the Planet) was a project of the French banker Albert Kahn, who was moved by an ideal of universal peace. His conviction: Knowledge of foreign cultures promotes respect and peaceful relations between peoples. He also recognised very early on that his era would witness the accelerated transformation of societies and the disappearance of certain lifestyles. He founded the “Archive of the Planet”, the result of the work of a dozen photographers and cameramen sent out between 1909 and 1931 to record the various cultural realities in fifty countries.
Two inventions by the Lumière brothers were used: the cinematograph (1895) and the autochrome, the first “natural” colour photography process (1907).
The Planet’s archives bring together hundreds of hours of film and 72,000 autochromes, the largest collection in the world. The Albert Kahn Museum, in the Hauts-de-Seine department of Boulogne-Billancourt, a suburb of Paris, houses the “Archive of the Planet”, a series of still and moving images created at the beginning of the 20th century and dedicated to the diversity of peoples and cultures.
There are 11 autochromes from Vienna in what was then Austria-Hungary in the “Archive of the Planet”, taken on 23 April 1913 by the photographer Auguste Léon: 2 photographs of a Jewish bookshop on Rabensteig in Vienna’s 1st district, 1 photograph of the Judengasse in Vienna’s 1st district, 7 interior photographs from the Kunsthistorisches Museum in Vienna and 1 photograph of a relief with a Golgotha motif on the outside of St. Stephen’s Cathedral in Vienna. A few years ago I tried, as far as I could, to photograph the places photographed at that time from a similar perspective more than 100 years later and to contrast them with the autochromes.