Der dünne Schlaf und Light Sleepers. Wien | AT · 1991–2023 (© PP · # 2815 · www.ewigesarchiv.at) Schlaflos über Schlaf nachdenkend fiel mir ein Bild aus meinem 1994 erschienen Buch „Das Ewige Archiv – Virtual Triviality“ ein: Eine liegende Frau mit einem voluminösen Apparat im Kopf und Halsbereich – „futuristisch“ anmutend. Damals sicher kein AI-generiertes Bild, sondern eine Fotografie in Zusammenhang mit einer Methode des „Faceliftings“, die mich offensichtlich fasziniert hatte. Nach kurzem Wühlen in den digitalen Behältnissen fand ich dieses Bild tatsächlich wieder, staunte wieder. Ein Bild führt zum anderen: Nachdem ich mich fast zwei Jahre lang intensiv mit Person und Werk des Künstlers Reimo Wukounig beschäftigt habe, fiel mir der Katalog zu seiner Ausstellung in der ALBERTINA Wien im Jahr 1991 ein – mit dem Titel „Der dünne Schlaf“ (Abb. li. ob.). Der Schriftsteller Julian Schutting widmete ihm in Folge das gleichnamige Gedicht, aus dem ich mir erlaube, die ersten Absätze zu zitieren:
Julian Schutting
Der dünne Schlaf
für Reimo Wukounig
der dünne Schlaf, gutzuheißen als der,
welcher einen durch einen dünnen Vorhang
das sehen läßt, auf einer Lichtung
was der tiefe Schlaf
hinter undurchdringlichem Urwalddunkel
verborgen hält an Ängsten und Wünschen
oder ins Vergessen hinabstößt,
kaum daß man, ihm in dünnere Schlafschichten
zu entgleiten, zu schnell hinanschnellt
in jähes Erwachen
der dünne Schlaf, segensreich manchmal
wie selten der Halbschlaf,
indem er mit einer dünnen Decke
die Neigung des halbwachen Zustandes zugedeckt hält,
Halbschlafbilder
mit Hinzugedachtem dem Denken des Tages anzugleichen,
sie bis zum Nie-wieder-erkennbaren
aus sich hinauszuholen, in eines Wünsche und Ängste,
ruiniert sie sogleich als Illustrationen
eines nimmermüder Präokkupationen
. . .
In meinem 1994 erschienen Buch „Das Ewige Archiv – Virtual Triviality“ wird das Bild der Frau mit dem beeindruckenden Apparat (re.ob.) begleitet von einem Foto zweier Akrobatinnen und diesem Text:
das problem ist nicht der wahn [schizophrenie] selber, sondern die tatsache, daß es in der kapitalistischen kultur kaum eine möglichkeit gibt, unbewußte impulse zur sprache zu bringen, ohne den eigenen untergang befürchten zu müssen.
kommt morgen der kranke michael
dann bleib ich bei dir
michael muß sterben hier
bleich als tod kommt die nacht.
allerdings gibt es viele nächte und abende,
es gibt den kalten nebel über der wiese
und das leise rufen des spähers.
kalt ist es!!
The Thin Sleeper and Light Sleepers. Vienna | AT · 1991–2023 (© PP · # 2815 · www.ewigesarchiv.at) Sleeplessly contemplating sleep, an image from my 1994 book “Das Ewige Archiv – Virtual Triviality” came to mind: A woman lying down with a voluminous apparatus in her head and neck area – appearing “futuristic”. Certainly not an AI-generated image back then, but a photograph in connection with a “facelifting” method that obviously fascinated me. After briefly rummaging through the digital containers, I actually found this picture again and was amazed again. One picture leads to another: After spending almost two years studying the person and work of the artist Reimo Wukounig, I thought of the catalog for his exhibition at the ALBERTINA Vienna in 1991 – entitled “The Thin Sleep” ( Fig. left above). The writer Julian Schutting subsequently dedicated the poem of the same name to him, from which I would like to quote the first paragraphs:
Julian Schutting
The thin sleep
for Reimo Wukounig
the thin sleep to be sanctioned as that
which one through a thin curtain
that can be seen in a clearing
what the deep sleep
behind the impenetrable darkness of the jungle
hidden holds on to fears and desires
or plunge into oblivion
hardly that one puts him in thinner layers of sleep
to slip away, rushing up too fast
in sudden awakening
the thin sleep, blessed sometimes
how seldom the half-sleep,
by wearing a thin blanket
keeps the tendency of the half-awake state covered,
half asleep pictures
to adapt to the thinking of the day with added thought,
them to the point of being unrecognizable
get out of yourself, into one’s desires and fears,
ruins them immediately as illustrations
one of tireless preoccupations
. . .
In my book Das Ewige Archiv – Virtual Triviality, published in 1994, the image of the woman with the impressive apparatus (top right) is accompanied by a photo of two acrobats and this text:
the problem is not the delusion [schizophrenia] itself, but the fact that in capitalist culture there is hardly any possibility of expressing unconscious impulses without having to fear one’s own demise.
sick michael is coming tomorrow
then I’ll stay with you
michael must die here
pale as death comes the night.
However, there are many nights and evenings
there is the cold mist over the meadow
and the soft call of the spy.
it’s cold!!