Zwei Frauen mit Palmbuschen und zwei Männer am Feuerkogel im Jahr 1928 – mit dem Alberfeldkogel im Hintergrund. Für mich eine Sensation, die Gedanken auslöst an den Bericht, wie der 12-jährige Emmerich Gaigg den Einmarsch der US-Army in Ebensee am 6. Mai 1945 erlebt hatte, an den Schriftsteller Walter Pilar und an Caspar David Friedrichs „Wanderer über dem Nebelmeer“ von 1818. Ebensee | AT · 1928–2011 (Tableau: © PP · Ewiges Archiv; Bildnachweis s. u.) Über diese Zusammenstellung von auf den ersten Blick unspektakulären Fotografien ließe sich ein längerer Text schreiben, ich beschränke mich auf mir Wesentliches: Ein hochformatiges, eher unscharfes, fleckiges SW-Foto zeigt zwei Frauen in steilem, felsigem Gelände auf einem Berg, die Haare hochgesteckt, im „Dirndl“, halten sie sich mit der rechten Hand an den Felsen fest, in der linken halten sie einen „Palmbuschen“, also zur Osterzeit, möglicherweise am Palmsonntag. Die beiden Frauen blicken direkt zum Fotografen. Der markante Berg im Hintergrund ist der Alberfeldkogel, dadurch lässt sich der Ort der Aufnahme eindeutig als Feuerkogel bei Ebensee am Traunsee bestimmen. Der Fotograf war mein Großvater Johann Promberger, das Glasnegativ war erst lange nach seinem Tod im Jahr 1977 entdeckt worden, ich machte davon eine Kontaktkopie. Die Aufnahme machte er mit einer einfachen Laufbodenkamera, die er ins Gebirge mitnehmen konnte. …Um die Schärfe auf der Mattscheine einzustellen, musste er ein dunkles Tuch auf seinen Kopf und die Kamera legen, und nach der Einstellung die Mattscheibe durch eine Kassette mit der Fotoplatte ersetzen, er benützte gekaufte Trockenplatten. Von den etwa 200 Glasnegativen, die meisten etwa so groß wie Ansichtskarten, existiert kein Original-Abzug, nur die Kontaktabzüge, die ich Ende der 1970-er Jahre herstellte. Vor kurzem veröffentlichte ich das Video „Johann Promberger – Ein Amateur-Photograph sieht die Wirklichkeit“ (Schnitt: Monica Parii) – dieses Video sah auch Herr Ing. Emmerich Gaigg, der in Ebensee geboren war und meinen Großvater noch gekannt hatte. In der folgenden Korrespondenz per Mail schickte er mir einige Repros von Fotografien, die sein Vater mit einer ähnlichen Kamera gemacht hatte. Von zweien der etwa 55 mm x 80 mm großen Glasnegative existierten Kontaktabzüge auf Tageslichtpapier – für mich eine unglaubliche Sensation! Er war so freundlich, mir diese chamoise-farbenen Pretiosen zur Reproduktion zu übersenden.
Eines davon ist das Bild rechts oben. Zwei Männer in Seitansicht auf einem Felsplateau, ein Mann im „verlorenen Profil“, im schwarzen Gehrock, in der Rechten ein Tuch oder einen Zylinder haltend, einige Meter von diesem entfernt, näher am Abgrund, ein Mann im Profil, weißes Hemd, Weste, die rechte Hand in der Hosentasche. Im Hintergrund der Alberfeldkogel, Ort der Aufnahme also wieder der Feuerkogel, vermutlich ganz in der Nähe des Ortes, an dem die beiden Frauen fotografiert worden waren! Für mich eine ganz wunderbare Koinzidenz! Herr Gaigg schrieb zu diesem Foto „. . . das zweite dürfte auch eine Tageslichtkopie sein, sie zeigt Pfarrer Giesriegl (der schwarz gekleidete Herr im Vordergrund) auf dem Feuerkogel nach seiner angeblich ersten Fahrt mit der Seilbahn. Dieses Foto lässt sich ziemlich genau datieren, die Eröffnung der Seilbahn war am 26.6.1927, Giesriegl war ab 19.8.1928 Pfarrer in Ebensee. Da mein Vater in den 1920er Jahren nur Tageslichtkopien gemacht hat, ist das sicher eine. Aber diese ist nicht verblasst (warum?), beide wurden unter gleichen Bedingungen aufbewahrt . . . “
Herrn Gaigg hatte ich indirekt über das Werk des im Jahr 2019 verstorbenen Schriftstellers Walter Pilar kennengelernt, weil er im 3. Teil – der 3. Welle – seines Hauptwerkes „Lebenssee“, betitelt „WANDELALTER“, einen Bericht von Emmerich Gaigg veröffentlicht hatte, den dieser verfasst hatte über seine Erinnerungen, wie er als 12-jähriger Bub den Einmarsch der US-Army am 6. Mai 1945 in Ebensee erlebt hatte. Walter Pilar schreibt in seinem Buch über die Begegnung mit Herrn Gaigg: „Als mir nun, 30 Jahre später, E. Gaigg (auf meine Frage hin) den Hergang der Geschehnisse vom „Umbruchstag“ erzählte, ließen mich viele der übereinstimmenden Details zufrieden aufhorchen. Ihm blieb dies nicht unbemerkt . . . & bei jenem 4. jour fix legte er mir, gleich nachdem er das Cafe T. betreten hatte, wortkarg ein mehrseitiges Manuskript auf den Tisch. Als er merkte, daß ich sofort mit Interesse darin zu blättern begann, kommentierte er nur wie beiläufig, daß er das für seine Enkerl deswegen schriftlich verfasst habe, weil er ja einmal sterben wird. & so hätten sie es schriftlich & könnten jederzeit darin lesen.“ (aus: W. Pilar, Lebenssee, 3. Welle WANDELALTER, S. 128, Ritterverlag, Klagenfurt, Wien, 2015)
Herrn Gaigg und eine seiner Töchter, die Choreographin Christine Gaigg, lernte ich erst beim Begräbnis von Walter Pilar persönlich kennen. Ich danke ihm sehr für seine Bereitschaft, mir die Fotografien zu senden, den Hintergrund der Aufnahmen zu schildern und auch für seine Zustimmung zur Veröffentlichung.
Extrabonus: Das Foto mit den beiden Männern am Berg hat für mich viele Bezüge zu einem der Hauptwerke des Malers Caspar David Friedrich „Der Wanderer über dem Nebelmeer“ aus dem Jahr 1818. „Das Gemälde zeigt einen Mann in dunkel-grüner Kleidung, in aufrechter Haltung am Bergstock gestützt auf einem felsigen Gipfel eines Gebirges über das Meer aus dichtem Nebel hinwegschauend. Über den Schleiern aus milchigem Dunst ragen weitere nackte oder mit vereinzelten Bäumen bewachsene Felsen heraus. In der Ferne erheben sich Bergkegel eines Mittelgebirges. Der Wanderer ist als Person nicht zu erkennen. . . Er ist etwas nach links gewandt, in Richtung des höchsten Gipfels.“
Das unsignierte Bild in Öl auf Leinwand im Format 94,8 x 74,8 cm befindet sich in der Hamburger Kunsthalle. Der Wanderer ist die bekannteste Rückenfigur des Malers. In der modernen medialen Rezeption wurde das Bild zu einem vielfach verwendeten Symbol der Romantik und zu einer Ikone des deutschen Bewusstseins.
Two women with palm trees and two men on the Feuerkogel in 1928 – with the Alberfeldkogel in the background. For me a sensation that triggers thoughts of the report of how the 12-year-old Emmerich Gaigg experienced the invasion of the US Army in Ebensee on May 6, 1945, of the writer Walter Pilar and of Caspar David Friedrich’s “Wanderer above the Sea of Fog “From 1818. Ebensee | AT · 1928–2011 (Tableau: © PP · Eternal Archives; picture credits see below) A longer text could be written about this compilation of photographs that at first glance seem unspectacular. I limit myself to the essentials: a portrait format, rather fuzzy, spotty black and white The photo shows two women in steep, rocky terrain on a mountain, their hair pinned up, in a “dirndl”, holding onto the rock with their right hand, while in their left hand they are holding a “palm tree”, ie at Easter time, possibly on Palm Sunday. The two women look directly at the photographer. The prominent mountain in the background is the Alberfeldkogel, which means that the location of the photo can be clearly identified as the Feuerkogel near Ebensee am Traunsee. The photographer was my grandfather Johann Promberger, the glass negative was only discovered long after his death in 1977, I made a contact copy of it. He took the picture with a simple walking floor camera that he could take with him into the mountains. To adjust the sharpness, he had to put a dark cloth on his head and over the camera, he used purchased drying plates. Of the 200 or so glass negatives, most of them about the size of postcards, there is no original print, only the contact prints that I made in the late 1970s. I recently published the video “Johann Promberger – An amateur photographer sees reality” (editor: Monica Parii) – this video was also seen by Ing. Emmerich Gaigg, who was born in Ebensee and had known my grandfather. In the following correspondence by email, he sent me some reproductions of photographs that his father had taken with a similar camera. Two of the 55 mm x 80 mm glass negatives had contact prints on daylight paper – an unbelievable sensation for me! He was kind enough to send me these chamoise-colored gems for reproduction.
One of them is the picture above right. Two men in side view on a rocky plateau, a man in “lost profile”, in a black frock coat, holding a scarf in his right hand, a few meters away from it, closer to the abyss, a man in profile, white shirt, vest, right hand in your pocket. In the background the Alberfeldkogel, where the photo was taken again the Feuerkogel, probably very close to the place where the two women were photographed! A wonderful coincidence for me! Mr. Gaigg wrote about this photo “. . . the second should also be a daylight copy, it shows Pastor Giesriegl (the black-clad gentleman in the foreground) on the Feuerkogel after his supposedly first ride on the cable car. This photo can be dated fairly precisely, the opening of the cable car was on June 26, 1927, Giesriegl was pastor in Ebensee from August 19, 1928. Since my father only made daylight copies in the 1920s, that’s sure to be one. But this one hasn’t faded (why?), Both were kept under the same conditions. . . ” I got to know Mr. Gaigg indirectly through the work of the writer Walter Pilar, who died in 2019, because he had published a report by Emmerich Gaigg in the 3rd part – the 3rd wave – of his main work “Lebenssee”, entitled “WANDELALTER” he wrote about his memories of how, as a 12-year-old boy, he experienced the invasion of the US Army on May 6, 1945 in Ebensee. Walter Pilar writes in his book about the encounter with Mr. Gaigg: “When now, 30 years later, E. Gaigg (in response to my question) told me the course of the events of the“ Change Day ”, many of the matching details made me sit up and take notice. This did not go unnoticed to him. . . & on that 4th jour fix, immediately after entering Cafe T., he taciturnly put a manuscript of several pages on the table. When he noticed that I immediately started leafing through it with interest, he only commented casually that he had written this for his grandchildren because he was going to die one day. & so you would have it in writing & could read it at any time. “(from: W. Pilar, Lebenssee, 3rd wave WANDELALTER, p. 128, Ritterverlag, Klagenfurt, Vienna, 2015) I only got to know Mr. Gaigg and one of his daughters, the choreographer Christine Gaigg, personally at Walter Pilar’s funeral. I would like to thank him very much for his willingness to send me the photographs, to describe the background of the recordings and also for his consent to publication.
Extra bonus: The photo with the two men on the mountain has many references to one of the main works by the painter Caspar David Friedrich, “The Wanderer above the Sea of Fog” from 1818. “The painting shows a man in dark-green clothes, in upright position Posture on a mountain leaning on a rocky peak of a mountain range looking over the sea of thick fog. More bare rocks or rocks overgrown with isolated trees protrude above the veils of milky haze. In the distance, mountain cones of a low mountain range rise. The hiker cannot be recognized as a person. . . It is turned a little to the left, in the direction of the highest peak. ” The unsigned painting in oil on canvas in the format 94.8 x 74.8 cm is in the Hamburger Kunsthalle. The wanderer is the painter’s most famous figure from the back. In the modern media reception, the image has become a widely used symbol of romanticism and an icon of German consciousness.