Wolfgang Schön, Kupferstecher, hört nach 48 Jahren auf und räumt seine Werkstatt mit Blick auf das „Goldene Quartier“ im Ersten Bezirk. Wien | AT · 2021 (© PP · # 2192 · www.ewigesarchiv.at) Als Christoph E. Exler vorgestern spätabends anrief und mich fragte, ob ich am nächsten Tag um 9 Uhr früh Videoaufnahmen machen könnte in der Druckerei Lamser-Schön, die gerade ausgeräumt wird, zögerte ich, sagte dann aber zu. Ich zögerte, weil diese Art von Aufnahmen Vorbereitung, zusätzliches Licht und entsprechendes Equipment benötigen (alles in der kurzen Zeit nicht organisierbar), alleine schwer zu machen sind und ich ohnehin nicht weiß, wie ich die vielen offenen Themen und das Material des Ewigen Archivs in meiner Rest-Lebenszeit bewältigen soll. Über Christoph Exler (li. unt. mit Strohhut), Künstler und „Original“, sollte auch ein Video gemacht werden, er hatte sich vor Jahren bei mir gemeldet, weil er auf einem SW-Foto, das ich 1973 am Naschmarkt gemacht und auf FB gestellt hatte, seine Mutter beim Einkaufen entdeckt hatte . . .
Die „Kunstanstalt für Kupferdruck“ hatte die formidable Adresse Naglergasse 4 im 1. Bezirk, ums Eck vom Kohlmarkt mit Cartier und anderen Luxusmarken und lag neben dem „Schwarzen Kameel“, vorne mit Blick auf das „Goldene Quartier“ des Investors René Benko – Louis Vuitton etc. Im Haus Naglergasse 4 hatte der Wiener Bürgermeister Helmut Zilk mit seiner Frau Dagmar Koller gewohnt, dort öffnete er die Briefbombe, die der österreichische Terrorist und Bombenattentäter Franz Fuchs ihm geschickt hatte und die ihm die rechte Hand zerriss.
Wolfgang Schön, der Tiefdrucker, der seit dem Tod des Vaters jahrelang alleine in der Werkstatt gearbeitet hatte, begrüßte uns freundlich. Er und Christoph Exler kennen sich viele Jahre, Letzterer hatte eine Reihe von Drucken dort herstellen lassen – ua. einen Abdruck des zerfetzten Reifens seines Autos – ein Sabotage-Akt gegen ihn vor vielen Jahren, den er knapp überlebt hat, wie er erzählte. (Eine der vielen, vielen Geschichten, die C. E. Exler zu erzählen hat . . .)
Ich bitte Wolfgang Schön, in der leergeräumten Werkstatt von seiner Arbeit zu erzählen und versuche, so gut es geht, einige Videoaufnahmen und Fotos zu machen. Kurz zusammengefasst: Vor allem wurden Visitkarten und ähnliche kleinformatige Drucksorten in Handarbeit hergestellt. (s. Link zum Video). Kupferplatten werden auf das Visitkartenformat geschnitten, mit Asphaltlack überzogen. Mit Hilfe eines „Pantographen“ („Storchenschnabel“) wird der gewünschte Text mittels Buchstaben-Schablone in den Asphaltlack eingeritzt, das darunterliegende Kupfer damit freigelegt. Dann wird die Platte in ein Säurebad gelegt und die blanken Stellen angeätzt. Es ist im Grunde das gleiche Verfahren wie bei einer Radierung. Die Hauptarbeit ist aber, die geätzten Linien und Buchstaben mit feinstem Stichel und Lupe zu vertiefen, zu gravieren. Kleinste Buchstabengröße 1 (ein!) Millimeter. Wenn die Druckplatte fertig vorbereitet ist und der Rand abgerundet, wird die angewärmte Druckfarbe mit einem „Ballen“ aufgetragen, in die feinen Vertiefungen gerieben, anschließend die Farbe von der Platte abgewischt, so dass nur die Farbe in den Vertiefungen zurückbleibt. Die Kupferplatte wird mit dem Handballen von letzten Farbresten gereinigt, auf die Auflageplatte der Druckpresse gelegt und mit dem Papier, auf das gedruckt wird und das bereits im Endformat zugeschnitten ist, bedeckt. Schließlich wird mit der Sternpresse „gezwickt“, dh. durch die Drehung des „Sterns“ werden Platte und Papier zwischen die Walzen geführt und wieder zurückgeführt, nicht wie bei einem Bilddruck einer Radierung auf die andere Seite durchgezogen. Der Preis einer Visitkarte errechnete sich aus der Anzahl der Buchstaben. Ein Buchstabe kostete 3 € – größere, schattierte Buchstaben 5 € („Vielleicht war ich zu billig“). Von der einmal erstellten Druckplatte konnten immer wieder Visitkarten gedruckt werden – vorausgesetzt, die Adresse blieb gleich. Nachfrage bestand bis zuletzt – „Vor allem Jüngere, die das Besondere, die Handarbeit zu schätzen wissen“. Der Druck von 100 Karten dauerte je nach der Anzahl der Druckzeilen – in etwa 2 Stunden.
Ich verweise also nochmals auf das Video. Viele andere Erzählungen und Details habe ich noch aufgenommen – vielleicht werde ich später daraus noch einmal eine kurze Dokumentation in Zusammenarbeit mit Christoph Exler schneiden bzw. schneiden lassen.
In aller Kürze: Nach 48 Jahren schließt Wolfgang Schön seinen Betrieb, nachdem die Miete erhöht wurde und der Betrieb nicht mehr „kostendeckend“ war. Die Tiefdruck-Pressen wurden an die Graveurmeisterin Kirsten Lubach übergeben (www.graveuratelier-lubach.com).
Veröffentlicht mit ausdrücklicher Genehmigung von Wolfgang Schön. Idee zur Dokumentation der „Kunstanstalt für Kupferdruck“ in der Naglergasse im 1. Bezirk in Wien: Christoph E. Exler, Video: © Peter Putz, 2021, www.ewigesarchiv.at
Wolfgang Schön, copper engraver, stops after 48 years and clears his workshop with a view of the “Golden Quarter” in the First District. Vienna | AT · 2021 (© PP · # 2192 · www.ewigesarchiv.at) When Christoph E. Exler called late the day before yesterday and asked me if I could make video recordings the next day at 9 a.m. in the Lamser-Schön printing house, which was being cleared out I hesitated, but then I said yes. I hesitated because these types of recordings require preparation, additional light and appropriate equipment (all of which cannot be organized in such a short time), are difficult to do on their own and I don’t know how to deal with the many open topics and the material of the Eternal Archive my remaining lifetime. A video should also be made about Christoph Exler (bottom left with straw hat), artist and “original” FB had discovered his mother out shopping. . .
The “Kunstanstalt für Kupferdruck” had the formidable address Naglergasse 4 in the 1st district, around the corner from Kohlmarkt with Cartier and other luxury brands and was next to the “Black Camel”, in front with a view of the “Golden Quarter” of the investor René Benko – Louis Vuitton etc. The Viennese mayor Helmut Zilk and his wife Dagmar Koller lived in Naglergasse 4, where he opened the letter bomb that the Austrian terrorist and bomb bomber Franz Fuchs had sent him and which tore his right hand.
Wolfgang Schön, the gravure printer who had worked alone in the workshop for years since his father’s death, greeted us warmly. He and Christoph Exler have known each other for many years. The latter had a number of prints made there – including. an imprint of the tattered tire of his car – an act of sabotage against him many years ago, which he barely survived, as he said. (One of the many, many stories that C. E. Exler has to tell…)
I ask Wolfgang Schön to tell about his work in the empty workshop and try as best he can to make some video recordings and photos. In a nutshell: Business cards and similar small-format printed matter were mainly produced by hand. (see link to video). Copper plates are cut to the size of a business card and coated with asphalt varnish. With the help of a “pantograph” (“Storchenschnabel”), the desired text is scratched into the asphalt paint using a letter stencil, thus exposing the copper underneath. Then the plate is placed in an acid bath and the bare areas are etched. It’s basically the same process as an etching. The main work, however, is to deepen the etched lines and letters with the finest graver and magnifying glass, to engrave. Smallest letter size 1 (one!) Millimeter. When the printing plate has been prepared and the edge is rounded off, the heated printing ink is applied with a “ball”, rubbed into the fine indentations, then the ink is wiped off the plate so that only the ink remains in the indentations. The copper plate is cleaned of the last paint residues with the ball of the hand, placed on the platen of the printing press and covered with the paper that is being printed on and that has already been cut to the final format. Finally, the star press is used to “pinch”, ie. By rotating the “star”, the plate and paper are fed between the rollers and returned again, not pulled through to the other side as is the case with a picture print of an etching. The price of a business card is calculated from the number of letters. A letter was € 3 – larger, shaded letters € 5 (“Maybe I was too cheap”). Business cards could be printed again and again from the printing plate created once – provided the address remained the same. There was demand right up to the end – “Especially young people who appreciate something special, the handicraft”. It took about 2 hours to print 100 cards, depending on the number of lines to be printed.
So I refer again to the video. I have included many other stories and details – maybe I will later cut or have a short documentary cut from them in collaboration with Christoph Exler.
In a nutshell: After 48 years, Wolfgang Schön closes his business after the rent was increased and the business was no longer “cost-covering”. The gravure presses were handed over to master engraver Kirsten Lubach (www.graveuratelier-lubach.com).
Published with the express permission of Wolfgang Schön. Idea for the documentation of the “Kunstanstalt für Kupferdruck” in Naglergasse in the 1st district in Vienna: Christoph E. Exler, Video: © Peter Putz, 2021, www.ewigesarchiv.at