Wer sind jetzt diese NEOs? Ansätze zur Morphologie einer Luftpartei. Wien | AT · 2013–2021 (© PP · # 3392 · www.ewigesarchiv.at) Sonntags vergönn’ ich mir meist leichte Kost, Aufheiterndes, Stimmungshebendes. Ich bin ja von der Ausbildung her Morphologe (nein, nicht Nephrologe!), zumindest besuchte ich anfangs meines Studiums auf der Angewandten bei Prof. Herbert Tasquil die Vorlesung „Morphologie der Kunst“, also in etwa „Erscheinungsformen der Kunst“. (Diese Vorlesung wurde dann in späteren Jahren von Peter Weibel gehalten, der präsumptiv wohl andere Themen fokussierte). So ein Background in Morphologie hilft natürlich immens bei der Zusammenstellung von Erscheinungsformen einer Partei zu einem Tableau. Als ich das erste Mal von der Gründung einer Partei namens NEOs hörte, dachte ich reflexartig an Neonazis, aber das ist bei meiner politischen Sozialisierung unausweichlich, ist halt so. Ahh – interessant, eigentlich „mutig“ von denen, sich namensmäßig so zu positionieren. Dann gings bei mir, in meinem „mindset“ auch unausweichlich, weiter: He – alles ROSA! alles magentafarben! Ja – dürfen’s denn das? Die Farbe Magenta hatte sich doch vor Jahren werbemäßig die Deutsche Telekom gekrallt, die ließen sich die alleinige Verwendung der Farbe sichern etc. Wurscht, sowieso wurscht, was ich mir denke, das füllt nur meinen Schädel phasenweise aus. Will auch nicht hierorts weiter „politisieren“, FB ist kein Platz für politische Diskussionen – FB ist der Ort, an dem sich zumindest in meiner timeline fast ausschließlich Werbung schoppt. Auch: wurscht.
Auf FB kursiert ein durchaus lesenswerter Text von Richard Schuberth zu den NEOs, insbesondere zu Frau Beate Meinl-Reisinger, dort als „Hohepriesterin des politischen Blubberblubber“ bezeichnet.
Richard Schuberth / zitiert von Facebook, (20250104)
Nix Klein-Klein, sondern große Schrauben!
Beate Meinl-Reisinger ist die Hohepriesterin des politischen Blubberblubber. Niemand vermag es wie sie, Dampf mit so viel Selbst- und Sendungsbewusstsein abzulassen. Gestern in ZiB 2: Eine unablässig von neuem startende Spieldose von Andeutungen und Schlagwörtern: Wir – notwendige Reform, Erneuerung, Leuchtturm, Initiative, Zukunft Österreichs, Sie – Schachern um Pfründe, alles bleibt wie’s ist, Stillstand ...
Und sie besitzt bewunderungswürdige Chuzpe: Nach dem Abbrennen dieses Feuerwerks populistischer Knallfrösche ihren Verhandlungspartnern Populismus vorzuwerfen.
Kein Mensch mit politischem Verstand kann nur einer einzigen ihrer leeren Hülsen Sinn abgewinnen. Es sind reine Emotionstrigger, welche die subkognitive Ebene ansprechen, jene, welchen uns nach dem Vorbild der Werbepsychologie Politiker, aber auch Feuilletonisten und Medienpolitologen seit Jahrzehnten als den Ort des politischen Bewusstseins eingeredet haben, auf dass wir wahre Sachanalyse als abgehoben und wenig unterhaltsam, Verteilungsdebatten als radikal und neidgetrieben framen. NEOS-Chef Christoph Wiederkehr spricht wie seine Chefin den Jargon, den der mündige Bürger, die mündige Bürgerin von heute verstehen: „Österreich braucht kein Klein-Klein, sondern große Schrauben!“ (ZiB)
Was meinen die alle?
Es oblag ÖVP-Generalsekretär Stocker, den Elefanten im Raum beim Namen zu nennen. Andreas Babler und sein Team habe mit „linken Gedanken“ wie Vermögensbesteuerung seinen Capo traurig und Frau Meinl-Reisinger wütend gemacht. Oder in Stockers Neuauslegung der deutschen Sprache: „... die SPÖ hat eine Politik verfolgt, die in linken Gedanken mit Vermögenssteuern, Erbschaftssteuern, einnahmenseitiger Sanierung des Budgets verbunden war.“
Jeder, der die Neos kennt, wusste, dass dieses Thema, dessen Name nicht genannt werden darf, die Verhandlungen zum Scheitern bringen würde.
Als einziges Sachthema, das sie zum Ausstieg aus den Verhandlungen bewogen habe, gab Meinl-Reisinger (und das gleich vier Mal) die Anhebung des Pensionsalters auf 67 Jahre an (ein leidenschaftlich gehegter Wunsch des Wahlvolkes, das seine statistisch erhöhte Lebenserwartung nicht auf der faulen Haut verbringen will, so diese der Statistik gehorcht und karzinomfrei bleibt).
Doch ihr rhetorischer Tintenfischschwall hatte Sinn und Methode: Die NEOS-Chefin weiß genau, dass bislang alle Umfragen zum Thema eine Zustimmung der österreichischen Bevölkerung zu Vermögenssteuern zwischen 70 und 80 % aufweisen.
In den 1960er-Jahren, zur Zeit der ÖVP-Regierungen von Bundeskanzler Klaus, betrug die Vermögensbesteuerung 4 Prozent. Heute sind es 1,4 Prozent.
Das heißt, die SPÖ mit ihren lächerlichen Mini-Restitutionen ehemaligen Raubs am Gemeinwohl will das Tor öffnen für realitätsfremden und ewiggestrigen Klassenkampf, an dessen Ende satanische stalinistische Experimente auf Kosten freien Unternehmertums und unschuldiger Erben stehen wie in Südkorea (14,2 Prozent des Gesamtsteueraufkommens aus vermögensbezogenen Steuern), Kanada (12,1 %), USA (11,9 %), UK (11,8 %) und der sozialistischen Diktatur Schweiz (7 %) (Quelle: OECD 2021).
In der Eurozone toppt nur Lettland Österreich bei der ungleichen Konzentration von Vermögen. Die reichsten 10 Prozent der Haushalte besitzen 56 Prozent des Vermögens. Die untere Hälfte verfügt dagegen nur über 4 Prozent des gesamten Besitzes.
Die Vermögensbesteuerung wurde 1993 von der SPÖ-ÖVP-Koalition abgeschafft. Die Erbschaftssteuer 2007 ausgesetzt.
Irgendwie hat Babler den uralten harmonischen Konsens in ideologischen Fragen gestört. Inhaltlich sind sich die Parteien relativ ähnlich, man mag einander bloß persönlich nicht. Nehammer mag Kickl nicht, hätte ideologisch gegen die FPÖ wenig einzuwenden (vom prorussischen und antieuropäischen Kurs mal abgesehen), und er seinerseits ist wiederum das einzige Hindernis für den ersehnten Honeymoon zwischen Blauen und Schwarzen. Lediglich in der allgemeinen Ablehnung Bablers ist die Personalisierung mit handfesten ideologischen und sachpolitischen Argumenten unterfüttert. Privat mag man ihn irgendwie süß finden, inhaltlich ist er untragbar. Ein mächtiger Block seiner eigenen Partei findet ihn weder süß noch inhaltlich tragbar. Mit dem Versuch, die Sozialdemokratie sozialdemokratisch zu machen, hat er sein politisches Todesurteil unterzeichnet. Wir lösen das Problem selbst, werden die SPÖ-Mobsters bei einem der letzten Geheimtreffen der Capi di Austria beruhigt haben.
Um Österreich zu retten (im allgemeinen Politverständnis: „damit wos weitergeht“), müssten die Parteien bloß ihre Obmänner verstecken oder absägen, um Meinl-Reisingers Visionen von „Reform, Leuchtturm, Nachhaltigkeit“ ... umsetzen zu können, ein Directoire aus Kunasek-Mikl-Leitner-Doskozil etwa, da würde die Chemie auch ideologisch stimmen, jene Abwärtsschraube der Schande aus Neoliberalismus mit nationalistischem und fremdenfeindlichem Antlitz, zum Schutze der Korruption, Umverteilung nach oben und all der Ressentiments, die heutzutage wahlbestimmend sind.
Nehammer könnte mit Othmar Karas und Mitterlehner eine linksliberale Zierpartei mit christlichem Antlitz gründen.
Wichtig ist, das jetzt „Klein-Klein“ verhängnisvoll wäre, was die österreichische Bevölkerung braucht, sind „große Schrauben“, die man auch feste anzuziehen weiß.
Ausgleichende Gerechtigkeit: Würde die Wahlfähigkeit der Österreicher an eine Prüfung des politischen Verstandes und der politischen Bildung geknüpft werden, schnitten eine beträchtliche Zahl der Leute mit Uni- und Maturaabschluss, die liberale und grüne Intelligentsia, nicht besser ab als der FPÖ-wählende Mob, dem sich diese so überlegen fühlen. Auch sie halten ihre Medienpolitologen mit deren bewährter Mischung aus Astrologie, Image-Exegese und Babler-Bashing für Weise des Landes, echte politologische Analysen für populistisches Radikalengewäsch und nicken wie zu einem jazzgeschwängerten Jandl-Gedicht einhellig, wenn Worte fallen wie: Nachhaltigkeit, Zukunft, Demokratie, Reformen, Vision, Leuchtturm, nix Klein-Klein, große Schrauben ...
Who are these NEOs now? Approaches to the morphology of an air party. Vienna | AT – 2013-2021 (© PP – # 3395 – www.ewigesarchiv.at) On Sundays I usually indulge in light fare, something uplifting and mood-lifting. I am a morphologist by training (no, not a nephrologist!), or at least I attended the lecture ‘Morphology of Art’ (Morphologie der Kunst) with Prof Herbert Tasquil at the beginning of my studies at the Angewandte. (This lecture was then given in later years by Peter Weibel, who presumably focussed on other topics). Such a background in morphology naturally helps immensely when compiling the manifestations of a party into a tableau. When I first heard about the founding of a party called NEOs, I reflexively thought of neo-Nazis, but that’s inevitable with my political socialisation, that’s just the way it is. Ahh – interesting, actually ‘brave’ of them to position themselves by name like that. Then, inevitably in my ‘mindset’, I continued: Hey – everything ROSA! everything magenta-coloured! Yes – are they allowed to do that? The colour magenta was snatched up by Deutsche Telekom years ago for advertising purposes, they had the exclusive use of the colour secured, etc. Never mind, never mind what I think, it just fills my head in phases. I don’t want to continue ‘politicising’ here either, FB is not a place for political discussions – FB is the place where, at least in my timeline, there is almost exclusively advertising. Also: never mind.
There is a text on FB by Richard Schuberth on the NEOs that is well worth reading, in particular on Ms Beate Meinl-Reisinger, described there as the ‘high priestess of political blubberblubber’.
Richard Schuberth / quoted from Facebook (20250104)
Nothing small, but big screws!
Beate Meinl-Reisinger is the high priestess of political blubberblubber. No one is able to let off steam with so much self-confidence and sense of mission like her. Yesterday on ZiB 2: A constantly relaunching music box of allusions and buzzwords: We – necessary reform, renewal, lighthouse, initiative, future of Austria, you – haggling over sinecures, everything stays as it is, standstill …
And she has admirable chutzpah: after setting off these fireworks of populist firecrackers, she accuses her negotiating partners of populism.
No one with any political sense can make sense of a single one of her empty phrases. They are pure emotional triggers that appeal to the subcognitive level, the level that politicians, but also feature writers and media politicos, have been persuading us for decades, following the example of advertising psychology, is the place of political awareness, so that we frame true factual analysis as detached and unentertaining and distribution debates as radical and envy-driven. Like his boss, NEOS leader Christoph Wiederkehr speaks the jargon that today’s responsible citizens understand: ‘Austria doesn’t need small details, it needs big screws!’ (ZiB)
What do they all mean?
It was up to ÖVP Secretary General Stocker to name the elephant in the room. Andreas Babler and his team had made his capo sad and Mrs Meinl-Reisinger angry with ‘left-wing ideas’ such as wealth taxation. Or in Stocker’s reinterpretation of the German language: ‘… the SPÖ has pursued a policy that in left-wing thinking was associated with wealth taxes, inheritance taxes and revenue-side budget restructuring.’
Anyone who knows the Neos knew that this issue, whose name must not be mentioned, would derail the negotiations.
Meinl-Reisinger cited the raising of the retirement age to 67 years (a passionately cherished wish of the electorate, who do not want to spend their statistically increased life expectancy on their lazy skin, provided it obeys the statistics and remains cancer-free) as the only substantive issue that had prompted her to pull out of the negotiations (and she did so four times).
However, her rhetorical rant had sense and method: the NEOS leader knows exactly that all surveys on the subject to date have shown that the Austrian population is in favour of wealth taxes by between 70% and 80%.
In the 1960s, during the ÖVP governments of Chancellor Klaus, wealth taxation was 4 per cent. Today it is 1.4 per cent.
This means that the SPÖ, with its ridiculous mini-restitutions of former robberies of the common good, wants to open the door to unrealistic and eternal class warfare, at the end of which satanic Stalinist experiments at the expense of free enterprise and innocent heirs will emerge, as in South Korea (14.2 per cent of total tax revenue from wealth-related taxes), Canada (12.1 per cent), the USA (11.9 per cent), the UK (11.8 per cent) and the socialist dictatorship of Switzerland (7 per cent) (source: OECD 2021).
In the eurozone, only Latvia tops Austria in terms of the unequal concentration of wealth. The richest 10 per cent of households own 56 per cent of assets. The bottom half, on the other hand, owns only 4 per cent of total wealth.
Wealth taxation was abolished in 1993 by the SPÖ-ÖVP coalition. Inheritance tax was suspended in 2007.
Somehow Babler has disrupted the age-old harmonious consensus on ideological issues. In terms of content, the parties are relatively similar, they just don’t like each other personally. Nehammer does not like Kickl, has little ideological objection to the FPÖ (apart from the pro-Russian and anti-European course), and he in turn is the only obstacle to the longed-for honeymoon between the blue and black parties. It is only in the general rejection of Babler that the personalisation is underpinned by solid ideological and factual arguments. People may find him kind of cute in private, but he is unacceptable in terms of content. A powerful bloc of his own party finds him neither cute nor acceptable in terms of content. By trying to make social democracy social-democratic, he has signed his political death warrant. We’ll solve the problem ourselves, the SPÖ mobsters will have reassured him at one of the last secret meetings of the Capi di Austria.
In order to save Austria (in the general political understanding: ‘to keep things going’), the parties would simply have to hide or cut off their chairmen in order to realise Meinl-Reisinger’s visions of ‘reform, lighthouse, sustainability’ … A directoire of Kunasek-Mikl-Leitner-Doskozil, for example, would also create the right ideological chemistry, the downward spiral of disgrace of neoliberalism with a nationalist and xenophobic face, to protect corruption, upward redistribution and all the resentments that dominate elections today.
Together with Othmar Karas and Mitterlehner, Nehammer could found a left-liberal ornamental party with a Christian face.
It is important to realise that ‘small details’ would be disastrous now; what the Austrian population needs are ‘big screws’ that can be tightened firmly.
Balancing justice: If the Austrians’ ability to vote were linked to a test of political understanding and political education, a considerable number of people with university degrees and school-leaving certificates, the liberal and green intelligentsia, would do no better than the FPÖ-voting mob, to whom they feel so superior. They, too, consider their media politicians with their tried and tested mixture of astrology, image exegesis and Babler bashing to be the wise men of the country, genuine political analyses to be populist radical twaddle and nod unanimously, as if to a jazz-infused Jandl poem, when words like: Sustainability, future, democracy, reforms, vision, lighthouse, nothing small, big screws …
