„Steinführen beim Bau in Mitterweißenbach rechts bei der Stiege, Aufseher Gasteiger weil Aicher marod, 6. Dec. 1905“. Eine Flussregulierung im Jahr 1905. Mitterweißenbach | AT · 1905 (Fotos Karl Gallnbrunner · Nachlass Hans Kienesberger, Bildmanufaktur Traunsee · Tableau © PP · # 3027 · www.ewigesarchiv.at) Autor dieser Fotografie ist der Gmundner Ingenieur Karl Gallnbrunner (1878–1968), der Leiter der k.u.k. Strombauleitung, von ihm stammt auch die Betitelung. Er hinterließ zahlreiche Aufnahmen der Flussregulierung im Trauntal. Ausgehend von diesen Fotografien veröffentlichten der Geologe Peter Baumgartner und der Maler Hans Kienesberger in der Publikation „FOTOGESCHICHTE“ 1982 den Beitrag „Eine Flußregulierung“, daraus folgende Erklärung zu diesem Bild „Die Steine wurden behauen und für die Verrechnung zu einfachen geometrischen Körpern geschichtet (li. Bildrand Mitte).“ und ein Textausschnitt:
„Die Arbeit der Flußbauer
Fast alle Aufnahmen zeigen Herbst und Winter als die Hauptarbeitszeit der Flußbauer. Grund dafür ist die geringe Wasserführung der Flüsse und die Saisonarbeitslosigkeit in diesen Jahreszeiten. Die Arbeiter der Flußbauleitung waren hauptsächlich Zimmerleute und Bauarbeiter, die in den kalten Monaten arbeitslos gewesen wären. Diese beiden Berufsgruppen wurden am ehesten den damals im Flußbau gebräuchlichen gemischten Bauweisen gerecht. Gallbrunner zeigt die Arbeiter nur zweimal aus der Nähe, wobei offensichtlich die Rangordnung nur den Bauaufseher groß ins Bild kommen ließ. Abb. 19 ist exemplarisch dafür, daß praktisch alle Arbeiten mit Muskelkraft und nur ganz einfachen Hebelwerkzeugen wie Beißer und Griffstange bewältigt wurden. Durch die geschickte Anwendung dieser Werkzeuge wurden Steine bis zu zwei Tonnen bewegt und eingebaut. „De schwar’n Stoa und de schen Diandl muaß ma mit’n Schmäh pocka!“, meinten die Flußbauer. Auf Grund der Schwere und des Umfanges wurden die Arbeiten in sogenannten „Partien“ oder „Passen“ meist kollektiv durchgeführt. Diese Arbeitsweise förderte die Rhythmisierung mancher Tätigkeiten. Als Beispiel sei der Gesang beim Pilotenschlagen angeführt. Die dabei verwendeten Texte unterlegten dem Pilotieren eine symbolhafte sexuelle Bedeutung: „Eini muaß er!“.
Die Arbeitssituation der Flußbauer könnte man, ohne romantisieren zu wollen, so deuten: Trotz der schweren und zum Teil gefahrvollen Arbeit war der Einblick in deren Zweck- und Sinnhaftigkeit wesentlich größer als heute. Auch darin mag ein Grund für das Selbstbewußtsein der Flußbauer gelegen haben, das nicht nur die Abbildungen vermitteln. Auch die Recherchen führten zum Bild einer selbstbewußten Arbeitergruppe.“
Karl Gallnbrunner machte diese Aufnahmen mit einer Laufbodenkamera mit Trockenplatten, also lichtempfindlich beschichteten Glasplatten im Format 12,8 x 17,8 cm. Es existieren keine Originalabzüge davon, sie wurden auch nicht veröffentlicht. Der Sohn von Gallnbrunner übergab die rund 100 Glasnegative im Jahr 1980 dem Maler Hans Kienesberger – Teil der Künstlergruppe Bildmanufaktur-Traunsee (H. Kienesberger, Walter Pilar, Peter Putz). Von einem Teil der Glasnegative wurden damals von H. Kienesberger und mir Kontaktkopien hergestellt. In der vom Fotohistoriker Timm Starl herausgegebenen FOTOGESCHICHTE, Jahrgang 2, Heft 4, 1982 wurde vom Geologen Peter Baumgartner und von Hans Kienesberger ein 8-seitiger Beitrag publiziert, betitelt „Eine Flußregulierung“. Vor etwa 6 Monaten übergab mir Greti Kienesberger leihweise aus dem Nachlass von Hans Kienesberger den etwa Schuhschachtel-großen Karton mit den Glasnegativen. Einen Großteil der Glasnegative hat nun mein Studionachbar, der professionelle Fotograf Dieter Brasch in seinem Studio mit Highend-Equipment (Phase One-Kamera, Blitzanlage) hochauflösend reproduziert.
Der Fotograf Karl Gallnbrunner
Der Bildautor der hier gezeigten Aufnahmen, Karl Gallnbrunner, hat seine Motive nicht nur im privaten Bereich und auf Reisen gesucht, er hat auch seine Arbeitswelt als Techniker der Strombauleitung dargestellt. Soferne Negativhüllen vorhanden sind, tragen sie meist mit äußerster Genauigkeit gemachte Vermerke über das Aufnahmedatum (bis auf die halbe Stunde genau); außerdem sind Angaben über die Lichtverhältnisse, Zeit, Blende und Entfernung sowie über die Herkunft der Platten, des Entwicklers und die Art des Objektives gemacht. Auch der Aufnahmegegenstand ist genau beschrieben. Verwunderlich ist, daß weder Gallnbrunner noch seine Dienststelle die Platten je verwendet haben – es liegen weder von der Flußregulierung noch von den Aufnahmen aus dem privaten Bereich Originalabzüge vor. Gallnbrunners Sohn berichtete, daß sein Vater bald nach 1905 das Fotografieren einstellte und die Kamera an den Gmundner Berufsfotografen Brandt verkaufte. Die rund 100 Negativplatten hat Gallbrunner jun. 1980 der Künstlergruppe Bildmanufaktur-Traunsee (Kienesberger/Pilar/Putz) übergeben, die zu dieser Zeit über den Amateurfotografen Johann Promberger aus Ebensee recherchierte.
Die Regulierungsarbeiten wurden entweder in Einzelaufnahmen oder in Bildserien zu kürzeren oder längeren Arbeitsabläufen fotografiert, wobei Gallnbrunner die Aufnahmeentfernungen den Arbeitssituationen anpaßte, sodaß sie überblicksartig zu erfassen sind. Der einzelne Arbeiter ist kaum das Motiv des Technikers Gallnbrunner; er zeigt die Arbeitswelt aus der Perspektive des Flußbauingenieurs – sein Standpunkt mag im fotografischen und im übertragenen Sinne von den Arbeitern weit entfernt gewesen sein. Über den Amateurfotografen Gallnbrunner wäre noch anzumerken, daß sowohl die Aufnahmen von der Flußregulierung als auch die Privatfotos auf überdurchschnittliches formales Geschick verweisen.“
aus: Peter Baumgartner, Johann Kienesberger, „Eine Flußregulierung“
FOTOGESCHICHTE Jahrgang 2, Heft 4, 1982,
Frankfurt am Main, Herausgeber Timm Starl
“Stone guides during construction in Mitterweißenbach on the right by the stairs, supervisor Gasteiger because Aicher is dead, 6 Dec. 1905”. A river regulation in 1905. Mitterweißenbach | AT – 1905 (Photos Karl Gallnbrunner – Estate Hans Kienesberger, Bildmanufaktur Traunsee – Tableau © PP – # 3027 – www.ewigesarchiv.at) The author of this photograph is the Gmunden engineer Karl Gallnbrunner (1878-1968), head of the k.u.k. He is also the author of the caption. He left behind numerous photographs of the river regulation in the Traun valley. Based on these photographs, the geologist Peter Baumgartner and the painter Hans Kienesberger published the article “Eine Flußregulierung” in the publication “FOTOGESCHICHTE” in 1982, from which the following explanation of this picture can be found “The stones were hewn and layered to form simple geometric bodies for the calculation (left edge of picture, centre).” and a text excerpt:
“The work of the river builders
Almost all the photos show autumn and winter as the main working period for the river builders. The reason for this is the low water level of the rivers and the seasonal unemployment in these seasons. The river construction workers were mainly carpenters and construction workers who would have been unemployed in the cold months. These two occupational groups were best suited to the mixed construction methods used in river engineering at the time. Gallbrunner only shows the labourers up close twice, whereby the hierarchy obviously only allowed the construction supervisor to come into the picture. Fig. 19 is an example of the fact that practically all the work was carried out using muscle power and only very simple lever tools such as biters and handle bars. The skilful use of these tools enabled stones weighing up to two tonnes to be moved and installed. “The black Stoa and the white Diandl have to be pocked with a bit of humour!” said the river builders. Due to the weight and scope of the work, it was usually carried out collectively in so-called “batches” or “passes”. This way of working encouraged the rhythmisation of some activities. An example of this is the singing during pilot beating. The lyrics used in this process gave piloting a symbolic sexual meaning: “Eini muaß er!”.
The working situation of the river builders could be interpreted in this way, without wishing to romanticise it: Despite the hard and sometimes dangerous work, the insight into its purpose and meaningfulness was much greater than it is today. This may also have been a reason for the self-confidence of the river builders, which is not only conveyed by the illustrations. The research also led to the image of a self-confident group of workers.”
Karl Gallnbrunner took these photographs with a running floor camera with dry plates, i.e. light-sensitive coated glass plates in the format 12.8 x 17.8 cm. No original prints exist and they were not published. In 1980, Gallnbrunner’s son gave the 100 or so glass negatives to the painter Hans Kienesberger – part of the Bildmanufaktur-Traunsee group of artists (H. Kienesberger, Walter Pilar, Peter Putz). At the time, H. Kienesberger and I made contact prints of some of the glass negatives. In 1982, geologist Peter Baumgartner and Hans Kienesberger published an 8-page article entitled “Eine Flußregulierung” (A river regulation) in FOTOGESCHICHTE, volume 2, issue 4, edited by photo historian Timm Starl. About 6 months ago, Greti Kienesberger lent me the shoebox-sized box containing the glass negatives from Hans Kienesberger’s estate. The majority of the glass negatives have now been reproduced in high resolution by my studio neighbour, the professional photographer Dieter Brasch, in his studio with high-end equipment (Phase One camera, flash system).
The photographer Karl Gallnbrunner
The author of the photographs shown here, Karl Gallnbrunner, not only sought out his motifs in his private life and when travelling, he also depicted his working environment as a technician in electricity construction management. If negative sleeves are available, they usually bear extremely accurate notes about the date of the photograph (to the nearest half hour); information is also given about the lighting conditions, time, aperture and distance as well as the origin of the plates, the developer and the type of lens. The subject of the photograph is also described in detail. It is surprising that neither Gallnbrunner nor his office ever used the plates – there are no original prints of either the river regulation or the private photographs. Gallnbrunner’s son reported that his father stopped taking photographs soon after 1905 and sold the camera to the professional photographer Brandt from Gmunden. In 1980, Gallbrunner Jr. handed over the 100 or so negative plates to the Bildmanufaktur-Traunsee artists’ group (Kienesberger/Pilar/Putz), who were researching the amateur photographer Johann Promberger from Ebensee at the time.
The regulation work was photographed either in individual shots or in series of pictures of shorter or longer work sequences, whereby Gallnbrunner adapted the shooting distances to the work situations so that they can be captured as an overview. The individual worker is hardly Gallnbrunner’s motif; he shows the working world from the perspective of the river engineer – his point of view may have been far removed from the workers, both photographically and figuratively. It should also be noted about the amateur photographer Gallnbrunner that both the shots of the river regulation and the private photos point to above-average formal skill.”
from: Peter Baumgartner, Johann Kienesberger, “A river regulation”
FOTOGESCHICHTE Volume 2, Issue 4, 1982,
Frankfurt am Main, published by Timm Starl