Wiederentdeckung: Fotos einer Flussregulierung aus dem Jahr 1905. Stadl Paura | AT · 1905 (Fotos Karl Gallnbrunner · Nachlass Hans Kienesberger, Bildmanufaktur Traunsee · Tableau © PP · # 3007 · www.ewigesarchiv.at) Diese beiden Bilder haben eine lange Reise in der Zeit hinter sich: Autor dieser hier zusammengestellten Fotos aus dem Jahr 1905, betitelt Bau von Salztransportschiffen („Trauner“), ist der Gmundner Ingenieur Karl Gallnbrunner (1878–1968), der Leiter der k.u.k. Strombauleitung. Er machte sie mit einer Laufbodenkamera mit Trockenplatten, also lichtempfindlich beschichteten Glasplatten im Format 12,8 x 17,8 cm. Es existieren keine Originalabzüge davon, sie wurden auch nicht veröffentlicht. Der Sohn von Gallnbrunner übergab die rund 100 Glasnegative im Jahr 1980 dem Maler Hans Kienesberger – Teil der Künstlergruppe Bildmanufaktur-Traunsee (H. Kienesberger, Walter Pilar, Peter Putz). Von einem Teil der Glasnegative wurden damals von H. Kienesberger und mir Kontaktkopien hergestellt. In der vom Fotohistoriker Timm Starl herausgegebenen FOTOGESCHICHTE, Jahrgang 2, Heft 4, 1982 wurde vom Geologen Peter Baumgartner und von Hans Kienesberger ein 8-seitiger Beitrag publiziert, betitelt „Eine Flußregulierung“. Vor etwa 6 Monaten übergab mir Greti Kienesberger leihweise aus dem Nachlass von Hans Kienesberger den etwa Schuhschachtel-großen Karton mit den Glasnegativen. Einen Großteil der Glasnegative hat nun mein Studionachbar, der professionelle Fotograf Dieter Brasch in seinem Studio mit Highend-Equipment (Phase One-Kamera, Blitzanlage) hochauflösend reproduziert.
Im Folgenden Textauszüge aus der vorgehend erwähnten Publikation:
„Siedlungsraum und Regulierung
Das Trauntal in den nördlichen Kalkalpen Oberösterreichs ist von seiner Entstehung und lang zurückreichenden Besiedlung her eng mit den Salzvorkommen verbunden. Die Vorläufer der Traun haben in jahrmillionenlanger Schürfarbeit Brüche in den mehrere tausend Meter mächtigen Gesteinsschichten genutzt und nachgezeichnet. Begünstigt wurde die Talbildung durch weiche und leicht ausräumbare, zum Teil salzhältige Gesteine, die von den Flüssen abgetragen wurden und den Tälern Raum gaben. Die in den Kalkmassiven vor Auslaugung durch Regen und fließende Wässer geschützten Salzlager zogen bereits vor Jahrtausenden Siedler in das Trauntal. Die frühe Siedlungstätigkeit mied die tiefstgelegenen Talflächen und bevorzugte höher gelegene Regionen wie Schwemmkegel und Terrassen. Ab dem Mittelalter wurden auch die von Überschwemmungen bedrohten Talböden besiedelt. Der steigende Bedarf an landwirtschaftlichen Nutzflächen war im Trauntal nur mehr in den Flußauen zu decken. Die neubeanspruchten Lebensräume waren häufig durch Hochwässer bedroht.
Die Nordstaulage des Salzkammergutes mit ihren ergiebigen Niederschlägen läßt solche Ereignisse nicht selten zu Katastrophen anwachsen.
Die Katastrophenhochwässer von 1897 und 1899 (hundert- bis zweihundertjährlich wiederkehrende Ereignisse) waren Anlaß für eine eingehende flußbauliche Studie über das Einzugsgebiet der Traun, die Grundlage für die systematische Traunregulierung war. Die Bauausführung lag damals in den Händen der k.u.k. Strombauleitung. Der Leiter dieses Amtes, der Gmundner Ingenieur Karl Gallnbrunner (1878–1968), hat um 1905 verschiedene Aspekte der Bautätigkeit fotografisch dokumentiert.
Der Fotograf Gallnbrunner
Der Bildautor der hier gezeigten Aufnahmen, Karl Gallnbrunner, hat seine Motive nicht nur im privaten Bereich und auf Reisen gesucht, er hat auch seine Arbeitswelt als Techniker der Strombauleitung dargestellt. Soferne Negativhüllen vorhanden sind, tragen sie meist mit äußerster Genauigkeit gemachte Vermerke über das Aufnahmedatum (bis auf die halbe Stunde genau); außerdem sind Angaben über die Lichtverhältnisse, Zeit, Blende und Entfernung sowie über die Herkunft der Platten, des Entwicklers und die Art des Objektives gemacht. Auch der Aufnahmegegenstand ist genau beschrieben. Verwunderlich ist, daß weder Gallnbrunner noch seine Dienststelle die Platten je verwendet haben – es liegen weder von der Flußregulierung noch von den Aufnahmen aus dem privaten Bereich Originalabzüge vor. Gallnbrunners Sohn berichtete, daß sein Vater bald nach 1905 das Fotografieren einstellte und die Kamera an den Gmundner Berufsfotografen Brandt verkaufte. Die rund 100 Negativplatten hat Gallbrunner jun. 1980 der Künstlergruppe Bildmanufaktur-Traunsee (Kienesberger/Pilar/Putz) übergeben, die zu dieser Zeit über den Amateurfotografen Johann Promberger aus Ebensee recherchierte (vgl. Abb. 2; FOTOGESCHICHTE, 1981, Heft 2, S. 74).
Die Regulierungsarbeiten wurden entweder in Einzelaufnahmen oder in Bildserien zu kürzeren oder längeren Arbeitsabläufen fotografiert, wobei Gallnbrunner die Aufnahmeentfernungen den Arbeitssituationen anpaßte, sodaß sie überblicksartig zu erfassen sind. Der einzelne Arbeiter ist kaum das Motiv des Technikers Gallnbrunner; er zeigt die Arbeitswelt aus der Perspektive des Flußbauingenieurs – sein Standpunkt mag im fotografischen und im übertragenen Sinne von den Arbeitern weit entfernt gewesen sein. Über den Amateurfotografen Gallnbrunner wäre noch anzumerken, daß sowohl die Aufnahmen von der Flußregulierung als auch die Privatfotos auf
überdurchschnittliches formales Geschick verweisen.“
aus: Peter Baumgartner, Johann Kienesberger, „Eine Flußregulierung“
FOTOGESCHICHTE Jahrgang 2, Heft 4, 1982,
Frankfurt am Main, Herausgeber Timm Starl
Rediscovery: Photos of a river regulation from 1905 Stadl Paura | AT – 1905 (Photos Karl Gallnbrunner – Estate Hans Kienesberger, Bildmanufaktur Traunsee – Tableau © PP · # 3007 · www.ewigesarchiv.at) These two pictures have travelled a long way back in time: the author of these photos from 1905, titled Bau von Salztransportschiffen / Construction of salt transport ships (“Trauner”), is the Gmunden engineer Karl Gallnbrunner (1878-1968), the head of the Imperial-Royal Electricity Construction Office. river construction management. He took them with a running floor camera with dry plates, i.e. light-sensitive coated glass plates in the format 12.8 x 17.8 cm. No original prints exist and they were not published. In 1980, Gallnbrunner’s son gave the 100 or so glass negatives to the painter Hans Kienesberger – part of the Bildmanufaktur-Traunsee group of artists (H. Kienesberger, Walter Pilar, Peter Putz). At the time, H. Kienesberger and I made contact prints of some of the glass negatives. In 1982, geologist Peter Baumgartner and Hans Kienesberger published an 8-page article entitled “Eine Flußregulierung” (A river regulation) in FOTOGESCHICHTE, volume 2, issue 4, edited by photo historian Timm Starl. About 6 months ago, Greti Kienesberger lent me the shoebox-sized box containing the glass negatives from Hans Kienesberger’s estate. The majority of the glass negatives have now been reproduced in high resolution by my studio neighbour, the professional photographer Dieter Brasch, in his studio with high-end equipment (Phase One camera, flash system).
The following are excerpts from the aforementioned publication:
“Settlement area and regulation
The Traun Valley in the northern Limestone Alps of Upper Austria is closely linked to salt deposits in terms of its origins and long history of settlement. Over millions of years, the predecessors of the Traun used and traced fractures in the several thousand metre thick layers of rock. Valley formation was favoured by soft and easily excavated rocks, some of which contained salt, which were eroded by the rivers and made room for the valleys. The salt deposits in the limestone massifs, protected from leaching by rain and flowing water, attracted settlers to the Traun Valley thousands of years ago. Early settlement activity avoided the lowest areas of the valley and favoured higher regions such as alluvial cones and terraces. From the Middle Ages onwards, the valley floors threatened by flooding were also colonised. The increasing demand for agricultural land in the Traun valley could only be met in the floodplains. The newly utilised habitats were often threatened by floods.
The north-facing backwater situation of the Salzkammergut with its abundant rainfall often turned such events into catastrophes.
The catastrophic floods of 1897 and 1899 (events recurring every hundred to two hundred years) were the reason for an in-depth river engineering study of the Traun catchment area, which formed the basis for the systematic regulation of the Traun. At that time, the construction work was in the hands of the k.u.k. River Engineering Office. The head of this office, the Gmunden engineer Karl Gallnbrunner (1878-1968), documented various aspects of the construction work photographically around 1905.
The photographer Gallnbrunner
The author of the photographs shown here, Karl Gallnbrunner, not only sought his motifs in his private life and when travelling, he also depicted his working environment as a technician in the electricity construction management department. If negative sleeves are available, they usually bear extremely accurate notes about the date of the photograph (to the nearest half hour); information is also given about the lighting conditions, time, aperture and distance as well as the origin of the plates, the developer and the type of lens. The subject of the photograph is also described in detail. It is surprising that neither Gallnbrunner nor his office ever used the plates – there are no original prints of either the river regulation or the private photographs. Gallnbrunner’s son reported that his father stopped taking photographs soon after 1905 and sold the camera to the professional photographer Brandt from Gmunden. In 1980, Gallbrunner Jr. handed over the 100 or so negative plates to the Bildmanufaktur-Traunsee artists’ group (Kienesberger/Pilar/Putz), who were researching the amateur photographer Johann Promberger from Ebensee at the time (see Fig. 2; FOTOGESCHICHTE, 1981, Issue 2, p. 74).
The regulation work was photographed either in single shots or in series of pictures of shorter or longer work sequences, with Gallnbrunner adapting the shooting distances to the work situations so that they can be captured as an overview. The individual worker is hardly Gallnbrunner’s motif; he shows the working world from the perspective of the river engineer – his point of view may have been far removed from the workers, both photographically and figuratively. It should also be noted about the amateur photographer Gallnbrunner that both the shots of the river regulation and the private photos show above-average formal skill.
show above-average formal skill.”
from: Peter Baumgartner, Johann Kienesberger, “A river regulation”
FOTOGESCHICHTE Volume 2, Issue 4, 1982,
Frankfurt am Main, published by Timm Starl